„Wir waren erst ein Einmann-Betrieb, dann zwei Mann, nach zwei, drei Jahren waren es dann mehr“1, erinnert sich Hubert Strecker, der 1956 zur Ingelfinger Bank kam, die damals noch als Spar- und Darlehnskasse firmierte. Hubert Strecker absolvierte eine Lehre zum Bankkaufmann bei der Genossenschaftsbank in Willsbach (später Volksbank Obersulm). Anschließend war er für einige Wochen bei der Genossenschaftlichen Zentralbank in Stuttgart tätig, wo ihn die Willsbacher Genossenschaft „hin delegiert“ hatte. „Dann kam der Oberprüfer Schneider und sagte, in Ingelfingen braucht man eine Urlaubsvertretung, der Herr Kammerer möchte gern in Urlaub. Das war 1956“, erinnert sich Hubert Strecker weiter.2 Josef Kammerer war seit 1955 Rechner der Spar- und Darlehnskasse Ingelfingen eGmuH. „Dann bin ich mit dem Zug nach Ingelfingen. Die Kochertalstraße gab es noch nicht – das war eine ganz andere Situation“.3 Im Anschluss an die Urlaubsvertretung ging Strecker zurück nach Stuttgart zur Genossenschaftlichen Zentralbank. „Nach ein paar Wochen rief mich Herr Schneider wieder an und fragte, ob ich nicht die Vertretung für Herrn Kammerer nochmals übernehmen könne. Er sei krank geworden. Aus ein paar Wochen wurden dann zwei Jahre.“4 Schließlich blieb er. Von 1959 bis 1973 war Hubert Strecker Rechner (Geschäftsführer), dann hauptamtliches Vorstandsmitglied.
Zunächst war die Bank noch im alten Amtshaus an der Bühlhofer Straße untergebracht – „ein langer Schlauch mit uralten Möbeln, primitiv. Und dann hing da ein Zettel: >Milchgeld abholen<“5. 1956 konnten Geschäftsräume in der Schloßstraße bezogen werden, wo die Bank bis 1965 untergebracht war. Die Bank erwarb in den 1960er Jahren Teile eines Grundstücks in der Mariannenstraße (ehemals Café Hugo Gaufer). Im neuen Bankgebäude, das 1964/65 errichtet wurde, bewohnte Hubert Strecker dann viele Jahre eine Betriebswohnung – übrigens wohnte unter ihm der Aufsichtsratsvorsitzende Fritz Müller (Mitglied des Aufsichtsrates seit 1977, ab 1987 Aufsichtsratsvorsitzender).
Als Hubert Strecker Mitte der 1950er Jahre nach Ingelfingen kam, waren hier vor allem kleinbäuerliche Betrieb ansässig und die Weingärtner. „Zwei Landwirte hatten einen Schlepper, alle anderen Kuhfuhrwerke. Hier unten im Tal waren die reicheren, die meisten mussten morgens raus fahren, hoch auf die Berge. Bürkert war damals noch ein Kleinbetrieb, auch Würth." 6 Entsprechend war das Geschäft der Spar- und Darlehnskasse – eigentlich hatte sich seit der Gründung wenig geändert. „Zwei Wochen nach meiner Ankunft habe ich erfahren, dass die Bank auch sonntags auf hat, wenn die Leute aus Criesbach kamen (...). Auch wenn wir klein waren, waren wir doch die größte ländliche Kreditgenossenschaft im Altkreis Öhringen und Altkreis Künzelsau, nur die Volksbanken waren größer. Auch hatte keine andere ländliche Kreditgenossenschaft einen Geschäftsführer, der gelernter Bankkaufmann war“, erinnert sich Strecker.7 Die Buchhaltung erfolgte bereits als Durchschreibebuchhaltung.
1959 wurde die Rechtsform in die der beschränkten Haftpflicht (eGmbH) geändert. Der Geschäftsanteil betrug 300 DM. Die Bilanzsumme betrug 1,07 Mio. DM. Im gleichen Jahr schaffte die Genossenschaft eine „Kienzle Buchungsautomat“ an. „Das kannte ich aus Willsbach schon längst, aber hier war damals kein Geld zu verdienen, wie hätte man da etwas anschaffen sollen. Auch Kohlenverkauf kannte ich nicht. Hier wurde die Kohle mit dem Zug gebracht und dann verkauft. Das haben wir dann aber aufgegeben. Die Dreschmaschine hatten wir noch relativ lang.“8 Die Dreschhalle wurde 1965 verkauft. Die Umfirmierung in Ingelfinger Bank eGmbH erfolgte ebenfalls 1965. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bank 364 Mitglieder. „In den 1970er, 1980er Jahren sind wir dann gewachsen. Ich möchte fast sagen, es gehörte zum guten Ton, bei der Ingelfinger Bank zu sein.“9
GEMÜ (gegründet 1964 in Ingelfingen) – „Am Anfang hatte ich nur eine Idee“
Die Verhältnisse waren einfach – nicht nur bei den Banken. Auch viele Kunden sind klein gestartet. Wenn man heute an GEMÜ denkt, kann man sich kaum vorstellen, dass die Teile für die ersten Ventile in der Küche von Fritz Müllers Mutter Marie Müller gefertigt wurden: „Im Backofen hat mein Mann die Teile ausgebacken, oben habe ich für unsere Tochter Regina die Windeln ausgekocht“,10 erinnert sich Ingrid Müller (geborene Ruchser) an den Beginn der Selbständigkeit ihres Mannes. Fritz Müller (geboren 1939) hatte sich schon immer für Technik begeistert, machte zunächst eine technische Lehre bei Chr. Bürkert in Ingelfingen und studierte anschließend an der Feintechnikschule in Schwenningen am Neckar. Anfang 1963 kündigte er nach nur 1,5 Jahren seine Stelle bei der Herion-Werke KG, wo er zunächst als Jungkonstrukteur begonnen hatte und schließlich die Versuchsabteilung leitete.11 Sein Plan: Kunststoff-Ventile herstellen, als selbstständiger Unternehmer.
Um nun mit der Produktion seines Kunststoffventils starten zu können, brauchte Fritz Müller Kapital. Seine Mutter war bereit, ihr Haus als Sicherheit zu geben, zudem war sie als Tochter des ehemaligen Kellermeisters in Ingelfingen gut vernetzt, so dass er nach einem Gespräch mit Hubert Strecker die Zusage für einen 5.000 DM-Kredit hatte. „Die Raiffeisenbank war eine Bauernbank, anständig und solide. Schon als mein Bruder und ich ein Haus in Mettingen geerbt haben und ich meinen Bruder mit 14.000 DM auszahlen wollte, habe ich den Unterschied zwischen Raiffeisenbank und Großbank erlebt. Die Großbank in Stuttgart hat mich weggeschickt, obwohl mein Gehalt dort jeden Monat aufs Konto ging. Die wollten einen Plan, eine Schätzung. Dann bin ich zur Genossenschaftsbank in Mettingen. Die haben mir das Geld gegeben. Auf meine Frage, warum ich das Geld bekomme, sagte mir der Mitarbeiter: >Ihr Großvater war ein zuverlässiger Mann<. Und so war es auch bei meiner Firmengründung. Ich bin zu Herrn Strecker. Der fragte mich zurecht, >Was haben Sie denn für eine Einrichtung, für Maschinen? Schreiben Sie mal alles auf<. Ich hab ihm dann gesagt, dass ich nichts habe – nichts als eine gute Idee. Da sagte Herr Strecker zu mir, die Mutter solle eine Bürgschaft geben. Damit war der Fall erledigt und ich konnte starten. Das war unser Anfangskapital." 12 Der Umsatz im ersten Jahr 14.000 DM. Die Buchhaltung machte Ingrid Müller, eigentlich technische Zeichnerin, gemeinsam mit einem Steuerberater. Die Grundlage ein Karton, in den Fritz Müller in den ersten Monaten alle Belege reingelegt hatte. Alles ganz einfach. „Morgens um sieben klingelte es. Herr Nägele stand vor der Tür. Ich frage, >Was möchten Sie?< Seine Antwort: >Ich arbeite ab heute hier<. Wir beschäftigten noch Frauen, die helfen. Aber Herr Nägele war unser erster Mitarbeiter. Werkstatt und Wohnen alles in einem Haus.<13 Nicht nur regionale Verwurzelung der Genossenschaftsbank passte gut zu Fritz Müllers Haltung – „In den ersten Jahren habe ich nur Menschen eingestellt, die ich von hier kannte, auf die ich mich verlassen konnte“.14