Viele Entwicklungen sind mit einander verzahnt, teils ohne immer ganz genau sagen zu können, was nun was genau bedingt hat. Die Mechanisierung oder Technisierung in Banken hängt eng mit deren Wachstum und Weiterentwicklung – bei Genossenschaftsbanken hin zu Universalbanken – zusammen. Ein Beispiel: Die Inflation 1923 blähte die Arbeit in Banken erheblich auf und führte gerade bei den Großbanken zur Anstellung vieler Hilfskräfte und beschleunigte zugleich die Mechanisierung im Bankbetrieb.1 In Genossenschaftsbanken war die mechanische oder technische Entwicklung bis in die 1960er Jahre sehr gering, der Umfang der anfallenden Arbeiten manuell gut zu schaffen. Zugleich war aber auch das Eigenkapital (bei 70 oder 100 Mitgliedern) so klein, das Anschaffungen gar nicht finanzierbar gewesen wären. Eine Technisierung der Technisierung halber hätte im Widerspruch zum Förderauftrag gestanden.
Ab den 1960er Jahren veränderte sich die Nachfrage von Privatpersonen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Genossenschaftsbanken vor allem Betriebskredite an Landwirte oder Handwerker vergeben – also nicht an die Privatperson, sondern an den Unternehmer vergeben. Oder es waren Privatpersonen, die ein Unternehmen gründen wollten, wie Klaus Isaak, der Gründer von „LTI Lüftungstechnik Ingelfingen“, 1969:
„Mit Lüftungstechnik hatte ich vorher nichts zu tun. Hab mich eigentlich mit nichts selbstständig gemacht“, erinnert sich Klaus Isaak.2 50.000 DM Startkapital: „Ich bin auf die Ingelfinger Bank zugegangen, gleich mit Herrn Strecker die ersten Gespräche geführt. Ich habe dann ein Darlehen über 50.000 DM bekommen – ohne Sicherheit. Ich hatte ja nichts. Brauchte aber Geld, um überhaupt mit meiner Idee starten zu können: Das war ein Saisongeschäft, zwischen März und Juli konnte man die Lüfter an die Landwirte verkaufen, wenn Heu gemacht wurde. Um was verkaufen zu können, mussten wir aber erst mal die ersten Lüfter bauen.“ Das war der Beginn von LTI. „Herr Strecker hat mir vertraut, wohl viel von mir gehalten.“3 Heute gehört LTI mit 145 Mio. Euro Umsatz zu den größten Blechverarbeitern in Deutschland. Über 850 Mitarbeiter sind an vier Standorten in Schöntal-Berlichingen, Boxberg, Thüringen und England tätig.
Die Entwicklung der vielen mittelständischen Unternehmen in Württemberg hatte nicht nur Auswirkungen auf das Firmenkundengeschäft der Genossenschaftsbanken (die Engagements wurden immer größer; die Geschäfte der Unternehmen gingen später über Landesgrenzen hinaus, so dass das Auslandsgeschäft, was traditionell ein Geschäft der Großbanken, war, an Bedeutung gewann). Das Geschäft mit den Privatkunden begann im Grunde mit der Umstellung der Lohn- und Gehaltszahlungen der Angestellten und Arbeiter von der Lohntüte auf die bargeldlose Gehaltszahlung auf Girokonten. Bis in die 1970er Jahre gab es noch Betrieb, die Löhne und Gehälter bar auszahlten. Mit der Umstellung auf die Gehaltsüberweisung wurden viele von ihnen erstmals Kunde bei den örtlichen Genossenschaftsbanken (oder Sparkassen), wenn sie nicht schon ein Sparbuch hatten oder eine Baufinanzierung. Bis dahin war ein Girokonto vielfach nicht notwendig, da selbst Stromrechnungen und dergleichen noch bar abgewickelt wurde.[4] Mit der Umstellung auf die Gehaltsüberweisung – die je nach Branche und Region bereits seit den 1950er Jahren von Lohntüte auf Überweisung umstellten – gab es für Banken also gute Chancen, neue Kunden zu gewinnen.5
Umstellung von Lohntüte auf Girokonto – Vom Bargeld zum bargeldlosen Zahlungsverkehr
Crispenhofen
Die Spar- und Darlehnskasse Crispenhofen-Weißbach wurde am 17. Januar 1913 gegründet. Im ehemaligen Schuhgeschäft von Joachim Gundels6 Großvater wurde Mitte der 1950er Jahre die Geschäftsstelle der Spar- und Darlehnskasse eingerichtet. Joachim Gundels Vater, Günther Gundel, war seit 1956 Rechner (ab 1973 Geschäftsführer / geschäftsführendes Vorstandsmitglied). Joachim Gundel, der schon als Kind dem Vater über die Schulter schaute, erinnert sich an die Zeit vor der bargeldlosen Lohn- und Gehaltszahlung: „Wenn die Angestellten Lohn bekamen, haben viele etwa zwei Drittel des Betrages für den Haushalt zurückgehalten und den Rest bar auf die Bank gebracht. Für die Darlehnskasse war das damals verhältnismäßig viel Bargeld. Da hatten wir Überschuss. Das Geld haben wir dann zur Post gebracht und zur Zentralbank per Post geschickt. Das wurde dann quasi über die Post entsorgt… Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.“7
Es gab einen Durchgang, der das Wohnhaus der Familie Gundel mit der Bank verband: „Da war ich dann als etwa Zehnjähriger der Assistent von meinem Vater. Belege und Kontoauszüge habe ich sortiert. Mein Vater hat neben der Geschäftsführung auch Kurierfahrten für das Rechenzentrum übernommen. Als ich dann älter war und wenn mein Vater Kurierfahrten machte, habe ich dann nachmittags nach der Schule die Kasse übernommen. Als mein Vater krank wurde, habe ich dann ein Viertel Jahr lang sogar die Bank gemanagt. Herr Kuhn von der Raiffeisenbank Niedernhall und Herr Strecker von der Ingelfinger Bank haben sich in der Zeit abgewechselt, sind ein Mal pro Woche abends gekommen, um das qualifizierte Geschäft zu machen.“8 Die Bank war damals auch noch samstags- und sonntagsvormittags, von ca. 11 bis 12 Uhr (nach dem Gottesdienst), geöffnet.